Safranbolu. So heißt also nach Istanbul unsere zweite Station in der Türkei. Safranbolu… Hat das was mit Safran zu tun? Was ist Safran eigentlich genau, wie sieht das aus? Beim Wort Safran muss ich spontan an das bekannte Kinderlied Backe, backe Kuchen denken. Als Kinder haben wir damals laut mitgesungen: „Safran macht den Kuchen gehl!“. Oder bedeutet Safran auf Türkisch vielleicht doch etwas ganz anderes?
Zum Glück gibt es Couchsurfing und zum Glück hat Mustafa unsere kurzfristige Anfrage mit „Hi guys, it’s possible!“, beantwortet. Seine ukrainische Freundin Natalia und er wollen uns für die nächsten beiden Tage bei sich aufnehmen. So erfahren wir bereits am ersten Abend, dass Safranbolu sehr wohl etwas mit Safran zu tun hat, sehr viel sogar. Ganz in der Nähe der Stadt werden die berühmten Safran-Krokusse angebaut, aus denen an zwei Wochen im Jahr eines der teuersten Gewürze der Welt gewonnen wird. Im einzigen Anbaugebiet der Türkei ernten erfahrene Pflücker in reiner Handarbeit ca. 60-80 Gramm pro Tag. Die geringe Ausbeute hat ihren Preis: Ein Kilogramm Safran ist 7.000-25.000 Euro wert!
Das alles und einiges mehr erklärt uns Mustafa während unseres nächtlichen Spaziergangs durch Safranbolu. Wir finden sogar einen Lokum-Laden, der zu später Stunde noch geöffnet hat und uns diese Delikatesse der Stadt probieren lässt. Was aussieht wie Mäusespeck, erhält durch die Safrannote einen speziellen Geschmack. Lecker! Während wir noch durch die nächtliche Stadt ziehen, frage ich Mustafa nach seinem Alter. In seinem Couchsurfing-Profil haben wir gelesen, dass er ’78 geboren wurde. Demzufolge müsste er nun etwa Ende dreißig sein. Doch irgendwie wirkt er viel jünger, so wie auch seine Freundin Natalia. „22“, gibt er mir Auskunft. Das ist ja doch ein kleiner Unterschied. Wir lassen uns nichts anmerken und verstehen uns auch trotz des Altersunterschieds von guten zehn Jahren sehr gut.
Die Anfahrt nach Safranbolu war dieses Mal besonders komfortabel und schnell, da wir in Istanbul einen Mietwagen abgeholt haben, mit dem wir die kommenden 18 Tage die Türkei kennenlernen wollen. Bislang sind wir auch mit Zug und Bus sehr gut zurechtgekommen. Doch nun wollen wir die Gelegenheit nutzen, um in der Kürze der Zeit auch entlegene Orte besuchen und die teils großen Entfernungen flexibel und nach unserem eigenen Zeitplan zurücklegen zu können. Da Diesel in der Türkei sehr viel billiger als Benzin ist, rät uns die Mietwagenfirma zu einem entsprechenden Upgrade. Erfreulicherweise ist der Preisunterschied gering und da das Tauschauto zudem weniger Sprit verbrauchen soll, lassen wir uns überzeugen. Zu unserem Glück bekommen wir einen brandneuen und sehr gut zu fahrenden Opel Astra.
Nach einer mehr oder weniger gemütlichen ersten Nacht, machen wir uns am nächsten Tag alleine auf ins Zentrum von Safranbolu. Mustafa muss für die Uni lernen. Er studiert Bauingenieurwesen und schreibt nächste Woche Klausuren. Natalia ist bei der Arbeit, sie gibt Englischunterricht. Safranbolu hat viel zu bieten, wurde das Städtchen doch wegen seiner Fachwerkhäuser von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Die sehr gut erhaltenen traditionellen Häuser schmiegen sich in mehreren Reihen an die hügelige Landschaft. Sie sind so ausgerichtet, dass alle Häuser bei jedem Sonnenstand genügend Licht bekommen.
Unser erster Stop ist das UNESCO-Besucherzentrum. Von hier aus haben wir einen tollen Rundumblick über die Stadt. Neben allerlei türkischer und ansonsten hauptsächlich asiatischer Touristen haben sich auch zwei Brautpaare eingefunden, um vor dieser eindrucksvollen Kulisse ihre Hochzeitsfotos aufzunehmen. Eine Hochzeitsgesellschaft sieht besonders nett aus und über unsere Kameras kommen wir ins Gespräch. Leider sprechen sie nur wenig Englisch und so erfahren wir nicht, ob die Hochzeit bereits vorbei ist oder noch stattfinden wird. Trotzdem machen wir ein paar gemeinsame Fotos, die wir später per E-Mail austauschen.
Wir setzen unseren Rundgang fort und genießen den frühlingshaften Tag, an dem es uns trotz T-Shirt zwischenzeitlich fast zu warm wird. Von den alten und sehr gut erhaltenen Fachwerkhäusern und Moscheen sind wir beeindruckt. Nachdem ich mich an den Sportgeräten am Wegesrand ausgetobt habe, treffen wir drei Touristik-Studentinnen, die gerne ihr Englisch ausprobieren möchten. So kommt Leo zu ihrem ersten Foto mit einem Selfie-Stick 🙂 Anschließend machen wir in einem kleinen Restaurant Mittagspause und probieren leckere Gözleme mit Schafskäse und Spinat. Zum Nachtisch gibt es einen Türkischen Kaffee, dazu natürlich Lokum!
Am Nachmittag erklimmen wir einen weiteren Aussichtspunkt und folgen einem kleinen Bach, der sich durch die netten Gassen Safranbolus schlängelt. Auf einmal erhalten wir einen Anruf auf unserer türkischen SIM-Karte: Mustafa und Natalia sind für einen Stadtbummel ins Zentrum gekommen und fragen, wo wir gerade sind. Wenige Minuten später haben wir uns gefunden und bekommen von den beiden noch weitere schöne Stellen der Stadt gezeigt. Und auch das leibliche Wohl kommt nicht zu kurz. Als wir an einer Bäckerei vorbei kommen, bei der wir vom Fenster aus in die Backstube blicken können, machen wir Halt und decken uns mit frischen, noch warmen Kringeln aus Hefeteig ein.
Als wir bereits wieder im Auto sitzen und zurück zur Wohnung der beiden fahren wollen, hat Mustafa eine Idee. Er will uns unbedingt noch die Mencilis Mağarası Höhle zeigen, die einige Kilometer vom Zentrum entfernt in den Bergen gelegen ist. Eigentlich sind wir schon etwas müde und hatten uns bereits darauf gefreut, nach einem langen Tag mit vielen Kilometern Fußmarsch durch Safranbolu nun wieder nach Hause zu kommen. Trotzdem stimmen wir zu. Eine gute Entscheidung, denn die Höhle, die wir uns als kleine Einbuchtung im Fels vorgestellt haben, hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Kurz vor Ende der Öffnungszeiten sind wir dort die einzigen Besucher. Um so spektakulärer ist daher der Anblick, der sich uns bietet: Ein stimmungsvoll beleuchteter Weg führt mehrere hundert Meter in den Berg hinein. Wir sind umringt von bizarren Formationen aus Stalakmiten und Stalaktiten. Auch einige Fledermäuse, die scheu durch die Höhle flattern, bekommen wir zu Gesicht. Das Highlight des Tages kommt hier also zum Schluss!
Nach dem sehr lohnenswerten Ausflug zur Höhle kommt zum Abschluss des Tages dann noch eine nicht ganz so schöne Überraschung: Freundlicherweise hatte uns Mustafa am Morgen angeboten, seine Waschmaschine zu benutzen. Dass vor dem Waschen zuerst die Waschmaschinentüre eingehängt werden musste, wunderte uns. Dass die Türe der Waschmaschine anschließend mit einem gefüllten Wasserkanister daran gehindert werden musste, beim Waschvorgang aufzuspringen, überraschte uns. Dass sich die Waschmaschine beim Schleudern so stark nach vorne bewegte, dass ich fast zwischen Waschmaschine und Waschbecken eingeklemmt wurde und Leo zu Hilfe rufen musste, erschreckte uns. Doch wie in dieser Wohnung die Wäsche aufgehängt wird, macht uns, und vor allem Leo, sprachlos.
Noch vor wenigen Minuten versicherte uns Mustafa beruhigend, dass die Wäsche schon fast trocken sei. Er hat sie freundlicherweise für uns aufgehängt, als wir bereits in der Stadt zum Sightseeing waren. Als wir jetzt in unser Zimmer kommen, können wir daher nicht glauben, was wir sehen: Statt wie erwartet auf einer Wäschespinne aufgehängt, sind unsere Kleidungsstücke in mehreren Lagen im gesamten Zimmer verteilt. Sie liegen auf der Heizung, der Fensterbank, der Stuhllehne, dem Esstisch, auf einer Holzplatte und auf unserem Bett. Und sie sind NASS! Und damit auch unser Bett inklusive Schlafsäcke.
Es ist nicht schwer, Leo anzusehen, dass sie von diesem Anblick alles andere als begeistert ist. Sofort fängt sie an, die Klamotten so aufzuhängen, dass es eine reelle Chance gibt, sie bis zum nächsten Morgen trocken zu bekommen. Denn dann wollen wir bereits weiter fahren und können keine nassen Sachen in unseren Rucksäcken gebrauchen. Mustafa, für den diese Art der Wäschetrocknung das Normalste der Welt zu sein scheint, merkt nicht, dass Leo kurz davor ist, zu explodieren. Als er uns bittet, ihm in der Küche zu helfen, melde ich mich freiwillig, damit Leo sich erst einmal in Ruhe der Wäsche widmen kann.
Nach einem leckeren Abendessen mit paniertem Fisch legen wir uns schlafen. Zwar sind unsere Schlafsäcke immer noch etwas klamm, aber wir sind so müde, dass wir trotzdem gleich einschlafen. Zum Glück scheint am nächsten Tag die Sonne, sodass wir die Wäsche vor dem Haus auf einem Zaun aufhängen können, und sie so noch rechtzeitig trocken wird.
Trotz der etwas alternativen Art der Wäschetrocknung hatten wir in Safranbolu eine tolle Zeit! Mustafa und Natalia sind super Gastgeber und haben sich bestens um uns gekümmert. Obwohl die beiden so viel jünger sind als wir, haben wir viele gemeinsame Gesprächsthemen gefunden und uns neben kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland, der Ukraine und der Türkei auch über die aktuelle politische Lage in der Region und das bevorstehende Referendum ausgetauscht. Und Mustafa besorgte uns über Kontakte sogar eine denkwürdige Unterkunft an unserem nächsten Zielort…
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Liebe Leo und Sebastian,
Großmutter surft über Ostern auf unserer (Schlaf-)couch und wir haben eben gemeinsam die Berichte über eure letzten Stationen verfolgt. Die Großmutter fragt sich, wie so tolle Bilder in so ein kleines Tablet kommen … ;-).
Sie (und ich natürlich auch) grüßt euch ganz herzlich und ist froh, dass sie nicht so weit weg sein muss, weil sie schon beim Angucken der Bilder Heimweh bekommt.
Passt gut auf euch auf und habt weiter viel Freude beim Stillen eures Fernwehs.
Sabina und Großmutter
Liebe Sabina, liebe Großmutter,
das ist ja sehr schön, von euch beiden zu lesen! 🙂 Tja, die Technik ist schon wirklich etwas tolles… Früher hätte man von den Reisenden kaum gehört, heute können wir sogar problemlos Fotos teilen! Uns geht es sehr gut – wir haben die letzte Nacht auf knapp 2000 Meter Höhe in Zentralanatolien verbracht und werden darüber auch bald einen Bericht samt Fotos posten! 🙂 Herzliche Grüße zu euch und ein schönes Osterwochenende!!
Wunderbare Bilder und Geschichten! Hier gibt es immer viel Interessantes zum lesen. We want more! 🙂
Viele liebe Grüße!
Hrisitina und Petar
Liebe Hristina, lieber Petar,
danke für eure liebe Rückmeldung! Und euer Wunsch wurde bereits erhört – eben haben wir einen neuen Bericht gepostet! 🙂
Viele liebe Grüße zu euch!
Leo & Sebastian