Dem Himmel so nah

Sebastian hängt an einer Seilrutsche

Eine Kurzgeschichte aus Isfahan (Teil 2)

Am Tag nach unserer Begegnung mit dem gewieften Verkäufer wollen wir einen Ausflug zum Soffeh-Berg machen, von dem aus man eine tolle Sicht über Isfahan haben soll. Wie genau wir dort hinkommen, wissen wir nicht. Zwei tschechische Touristen haben uns beim Frühstück erzählt, dass man mit einem Linienbus zum Südende der Stadt fahren kann. „Von da aus einfach durchfragen“, empfehlen sie uns. Als die beiden vor zwei Tagen selbst dort waren, haben sie sich auf dem Weg zur Gondelstation allerdings ziemlich verlaufen. Mmh…

Da wir heute bereits mittags startklar sind, beschließen wir, unterwegs noch einen Abstecher zur Imam-Moschee zu machen. Im Reiseführer haben wir gelesen, dass die Moschee als Meisterwerk islamischer Baukunst gilt und für ihre kunstvollen Mosaikarbeiten auf Portalen, Gebetshallen und den 50 Meter hohen Minaretten berühmt ist. Obwohl die Temperaturen heute erneut jenseits der 35 °C liegen, bereuen wir es nicht, den Umweg hierher gemacht zu haben.

Springbrunnen
Ein Springbrunnen auf dem Moschee-Gelände sorgt zumindest optisch für Abkühlung
Kuppel der Imam-Moschee in Isfahan
Trotzdem halten wir uns, soweit möglich, lieber im Schatten auf 🙂
Rosenblüte
Leuchtende Rosen finden wir im hübschen Garten der Anlage
Ein Mann kniet zum Gebet
Gebet unter freiem Himmel
Historische Holzdecke in der Imam-Moschee in Isfahan
Historische Holzdecke in einem Seitentrakt der Moschee

Nach dem Besuch der Moschee machen wir uns auf Richtung Gondelstation. Da es immer noch ziemlich heiß ist, hoffen wir auf mildere Temperaturen auf dem knapp 600 Meter über der Stadt gelegenen Soffeh-Berg. Doch zwischen uns und dem Berg liegt nun erst einmal die Busfahrt. Wie praktisch, dass wir direkt an der Hauptstraße auf eine Haltestelle stoßen, an der bereits eine Handvoll Menschen wartet. Welchen Bus wir nehmen müssen, wissen wir allerdings nicht. Kurzentschlossen fragen wir die Passanten, ob von hier einen Bus zur „Telecabin“, der Gondelstation, fährt. Einen Moment lang beratschlagen sich eine junge Frau und eine ältere Dame auf Farsi, geben uns dann aber zu verstehen, dass hier kein für uns passender Bus hält. Mist…

Augenblicke später nähert sich auch schon der Bus, auf den die beiden gewartet haben. Nachdem sie eingestiegen sind, fragen wir den Busfahrer, ob er nicht zufällig doch zur Telecabin fährt. Er schüttelt den Kopf. Als wir gerade wieder aussteigen wollen, ruft uns ein älterer Herr hinterher. Obwohl wir ihn nicht verstehen, interpretieren wir ihn so, dass wir im Bus bleiben sollen. „Auch gut“, denken wir uns, „irgendeine Lösung wird es schon geben!“ Wie überall im Iran, sitzen auch in diesem Bus die Männer vorne und die Frauen hinten. Während Leo zum Fahrzeugende durchläuft, hole ich mein Handy aus dem Rucksack. Wieder einmal erweist es sich als sehr praktisch, dass wir uns schon in Deutschland eine Navigations-App mit Offline-Karten besorgt haben, mit Hilfe derer ich unsere Fahrstrecke nun nachverfolgen kann.

Es geht in die richtige Richtung, doch schneller als erhofft ist die Fahrt für uns zu Ende. Der Busfahrer bedeutet uns auszusteigen. Er ruft uns noch zu, dass wir von hier aus den Bus Nr. 61 nehmen sollen. Jetzt zahlt sich aus, dass wir in den letzten Tagen die persischen Zahlen gepaukt haben.

Die Weiterfahrt verläuft problemlos und gut 20 Minuten später steigen wir an einer viel befahrenen Straße aus. Kurz vor der Haltestelle hat uns der Busfahrer noch in gebrochenem Englisch erklärt, dass wir von hier aus zu Fuß bis zur Gondel gehen können. Besonders einladend sieht der Weg entlang einer Schnellstraße nicht aus. Außer uns ist bei der Hitze keiner auf die Idee gekommen, die knapp drei Kilometer ohne Auto zurückzulegen. Aber nun bleibt uns nichts anderes übrig. Eine knappe halbe Stunde später kommen wir leicht erschöpft und stark verschwitzt an der Gondelstation an. Das Ticket für die Bergfahrt ist überraschend teuer. Doch wenn wir es schon bis hierher geschafft haben, fahren wir natürlich hoch!

Sebastian vor einer Gondel
Die Gondeln sind neu verglast und frisch lackiert. Hier steigen wir gerne ein.
Isfahan von oben
Unterwegs haben wir einen tollen Ausblick auf die Stadt und erkennen die „wahre Größe Isfahans“ 😉
Gondelstation
Anfahrt auf die Mittelstation

Als die Mittelstation näher kommt, fragen wir uns, ob wir hier einfach sitzen bleiben können, oder ob wir auf dem Weg zum Gipfel umsteigen müssen. Sekunden später bemerken wir, dass es momentan gar nicht möglich ist, bis ganz nach oben zu fahren. Die Mittelstation ist gleichzeitig die Endstation. Etwas enttäuscht verlassen wir das Gebäude, um uns draußen umzusehen. Es zeigt sich, dass hier nicht viel mehr zu tun ist, als bis zur 100 Meter entfernten Aussichtsplattform zu gehen. Und von dort aus ist es noch nicht einmal möglich, auf Isfahan zu blicken, da die Stadt durch den Gipfel verdeckt ist.

Am Aussichtspunkt angekommen, nehmen wir auf einer der wenigen freien Bänke Platz und packen die mitgebrachten Kekse aus. Während wir die Aussicht auf eine (sehenswerte?) steinige Felswand auf uns wirken lassen, hören wir auf einmal ein von einem grellen Schrei begleitetes, metallenes Geräusch. Hilfe, was ist das denn? Wir drehen uns um und sehen gerade noch, wie eine junge Frau an einer „Zipline“ (einer über das Tal gespannten, etwa 300 Meter langen Seilrutsche) in die Tiefe rauscht. Krass, die Anlage hatten wir bis dato gar nicht bemerkt!

Im Fünf-Minuten-Takt folgen der jungen Frau weitere Zipline-Fahrer, fast alle begleitet von Schreien, die sich nach einer Mischung aus Angst und Vergnügen anhören. Ein paar Mal können wir sogar beobachten, wie Paare zu zweit vom Berg aus auf die gegenüberliegende Seite rasen. „Wäre das nichts für uns?“, frage ich Leo. „Spinnst Du??“, bekomme ich als Antwort. „Nie im Leben fahre ich da mit!“ Ehrlich gesagt habe ich keine andere Antwort erwartet; ein Grinsen kann mir jedoch nicht verkneifen. Je länger ich die Fahrenden beobachte, desto mehr reizt es mich, die Zipline selbst auszuprobieren.

Wenige Minuten später habe ich mich entschieden und schon spazieren wir zum Ticketschalter in der Gondelstation. Das Ticket ist mit umgerechnet 2 Euro pro Fahrt überraschend günstig. Ob die Anlage bei dem geringen Preis überhaupt sicher sein kann? Ich hoffe es, doch so ganz überzeugt bin ich noch nicht.

Den Weg zum Start der Zipline legen wir auf einem steinigen und recht steilen Pfad zurück. Zum Glück habe ich meine Wanderschuhe angezogen; barrierefrei ist der Aufstieg hier sicher nicht. Unser Blick fällt auf eine Bergkette in einigen Kilometern Entfernung. Über den Bergen geht gerade die Sonne unter und taucht den bewölkten Himmel in ein gelblich-rötlich-violettes Licht. „Willst Du nicht doch mitfahren?“, frage ich Leo noch einmal. Ihr Gesichtsausdruck macht jede Antwort überflüssig 🙂

Am Start der Zipline angekommen, stehen außer mir nur ein junger Mann und ein Pärchen in der Schlange. Nachdem sich beide „todesmutig“ in die Tiefe gestürzt haben, bin ich auch schon an der Reihe. Jetzt mal sehen, wie das hier abläuft. Zu meinem Erstaunen stelle ich fest, dass für Einweisung und Sicherheit eine Frau zuständig ist. Nach unseren bisherigen Erfahrungen hinsichtlich Rollenverteilung im Iran hätte ich das nicht wirklich erwartet. Die professionell wirkende Dame legt mir einen Sicherheitsgurt an und erklärt mir auf Englisch, was es zu beachten gibt. Ihre fachkundige und besonnene Art wirkt beruhigend. Nun bin ich mir sicher, dass mir schon nichts passieren wird. Also hoffentlich…

Sie gibt mir noch mit auf den Weg, dass ich während der Fahrt nicht an das Stahlseil über mir fassen soll. Klingt logisch. Augenblicke später stehe ich auch schon an der Startrampe. Einen kurzen Moment zögere ich, doch dann trete ich mit einem beherzten Schritt hinaus in die Schwerelosigkeit. Bevor ich nachdenken kann, hat mich der Sicherheitsgurt aufgefangen – die Abfahrt beginnt! Adrenalin durchfließt meinem Körper und ich genieße den Moment und das Gefühl in 50 Metern Höhe über eine Schlucht zu sausen. Während der Fahrt winke ich hinüber zu Leo, die mit der Kamera bereit steht und fleißig fotografiert.

Berge
Beim Weg zum Start der Zipline sehen wir den spektakulären Sonnenuntergang am Horizont
Sebastian fährt mit einer Seilrutsche
Sekundenlange Schwerelosigkeit. Mit dem Rücken voran sause ich ins Tal.

Nachdem ich bei etwa der Hälfte der Seilrutsche angekommen bin, blicke ich mich um. Am Ende der Zipline steht ein Herr bereit, der neben einer blauen Schaumstoffmatte auf mich wartet. Aber Moment mal, wie wird hier eigentlich gebremst? Am Seil selbst kann ich keinerlei Stoppmechanismus erkennen. Gerade als ich beginne, mir ernsthaft Sorgen zu machen, spüre ich einen Ruck. Mit meinem Seil bin ich gegen eine quer zur Fahrtrichtung gespannte Leine gefahren, an deren Ende sich ein Mann mit vollem Gewicht nach hinten lehnt. Eine menschliche Bremse! Dieses System wäre bei uns nie im Leben durch den TÜV gegangen…

Doch zum Glück war der Bremser aufmerksam und ich komme sanft zum Stehen. Der Rückweg zu Leo und zum Start der Zipline führt über eine schmale und wackelige Hängebrücke, die nach bestandener Fahrt jedoch kein wirkliches Problem mehr ist. Am Ende der Hängebrücke nimmt mir ein freundlicher Herr mit kuriosem Bart den Sicherheitsgurt ab. Glücklich erzähle ich Leo vom Nervenkitzel der Seilbahnfahrt. Gespannt hört sie zu und hat plötzlich ein Lächeln im Gesicht. Jetzt will sie es doch auch wagen! Ich bin baff. Um so schöner ist danach die gemeinsame Fahrt über die Schlucht – der Abschluss unseres „himmlischen“ Ausflugs… 🙂

Sebastian in den Bergen
Glücklich komme ich nach der Zipline-Fahrt zurück zum Startpunkt
Leo auf einer schmalen Hängebrücke
Auch der Rückweg ist eine wackelige Angelegenheit, für die wir gesichert werden müssen
Sebastian neben einem Mann, der Klettergurte über den Schultern hängen hat
Am Ende der Hängebrücke nimmt uns dieser lustige Herr in Empfang 🙂
Steinbrücke im Zayandeh-Fluss in Isfahan
Am Tag darauf fahren wir noch zum Zayandeh-Fluss und schauen uns die vielen steinernen Brücken an
Leo vor einer Steinbrücke im Zayandeh-Fluss
Ein schöner Ort, um dem Trubel der Stadt für ein Weilchen zu entkommen
Über einer Steinbrücke fliegt ein Drachen
Kinder lassen von der Brück aus Drachen steigen
Menschen sitzen unter Torbögen unter einer Brücke
Die historische Brücke ist Treffpunkt für Jung und Alt
Leo steht in einem Torbogen und schaut auf den Zayandeh-Fluss
Doch man bzw. frau kann auch kurz für sich sein
Sonnenuntergang über dem Zayandeh-Fluss
Schon neigt sich der Tag dem Ende zu…
Steinbrücke über den Zayandeh-Fluss
…und auf den Brücken gehen die Lichter an.
Menschen stehen im Abendlicht in einem Torbogen eine Mauer
Abendstimmung unter den Torbögen der Brücke
Zayandeh-Fluss bei Nacht
Der Mond versteckt sich noch hinter den Wolken
Sebastian steht in einem Schaufenster neben übergroßen Schaufensterpuppen
„Wat, wer bist Du denn!?“ 🙂 Begegnung mit der größten bis dato gesehenen Schaufensterpuppe…

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