Was haben wir gemacht, im Monat Januar, unserem elften Reisemonat?
Wir sind wieder unterwegs! Nach unserem Urlaubsmonat Dezember packen wir unsere Rucksäcke und brechen auf zu einer Reise durch die Mitte und den Osten Indiens. Wir verbringen viele Nächte in Schlafwagen der indischen Bahn, rutschen zufällig in die Kunst- und Kulturszene der Metropole Hyderabad, arbeiten für eine Woche auf einer indischen Farm und treffen vor allem viele tolle Menschen!
Welche Momente im Januar werden uns in guter Erinnerung bleiben?
- Von Hampi aus, wo wir Silvester feierten, fahren wir mit dem Nachtzug in die Großstadt Hyderabad. Wir haben uns ein weiteres Mal für Couchsurfing entschieden, um von Anfang an Kontakt zu den Menschen vor Ort zu bekommen und nicht anonym in einem Hostel zu sein. Vani und ihr Mann Ashok nehmen uns auf und wir bekommen neben einem separaten Zimmer sogar den Wohnungsschlüssel, um unabhängig kommen und gehen zu können.
- Zum ersten Mal verlieren wir etwas: mein geschätztes aufblasbares Reisekopfkissen! Auf der kurvigen Straße von Goa in Richtung Hampi muss es im Nachtbus von der Matratze gerollt sein und ich vergesse am nächsten Morgen, es einzupacken bzw. danach zu suchen. Obwohl wir später sogar nochmal zurück zum Bus fahren und ihn gründlich durchsuchen, ist das Kissen weg. Ein herber Verlust.
- Und auch etwas anderes kommt abhanden, allerdings hat hier tatsächlich jemand seine Finger mit im Spiel: Eine hübsche Teekanne, die ich mir nördlich der Taklamakan-Wüste in China gekauft hatte, schickte ich Ende Oktober im eigens eingenähten Päckchen als „air mail“ zu meinen Eltern. Dort kommt es nach über zwei Monaten Anfang Januar zwar endlich an, doch von meiner Teekanne fehlt jede Spur! Einfach aus dem Päckchen herausgeklaut, darüber ärgere ich mich sehr! Und mein Vertrauen in die Post sinkt…
- Im Nachtzug nach Hyderabad lernen wir Bharti kennen, die mir von ihrem packenden Ausflug in den indischen Dschungel berichtet, während der arme Sebastian mit Fieber bereits auf seiner Pritsche liegt und schläft. Bharti und ihre Familie treffen wir an unserem letzten Tag in Hyderabad wieder, denn sie lädt uns zu sich nach Hause zum Mittagessen ein und kocht extra für uns komplett ohne eine einzige Chilischote! 🙂
- Durch Zufall erfahren wir im Internet von der Eröffnung der Ausstellung Mapping Frontiers im nahegelegenen Goethe-Zentrum Hyderabads und besuchen diese. Als einzige deutsche Besucher fallen wir auf und bald schon wird uns das Mikro in die Hand gedrückt: „Erzählt mal was zu eurer Reise und zu den Grenzen, die ihr überquert habt.“ So rutschen wir ungeplant in die Kulturszene Hyderabads hinein und lernen viele spannende Menschen kennen. Und erscheinen sogar am Tag darauf in der lokalen Zeitung.
- Im Goethe-Zentrum lernen wir das Künstlerpärchen Swathi und Vijay kennen. Wir sind uns gleich sympathisch, doch können wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erahnen, wie sehr wir mit den beiden in Kontakt bleiben und welche tollen Möglichkeiten sie uns eröffnen werden.
- Von Hyderabad aus fahren wir an die Ostküste zu dem von uns lange angepeilten Farmaufenthalt. Zwei Wochen lang möchten wir auf einer Ökofarm mit anpacken und gegen Kost und Logis dort arbeiten. Mit uns sind noch drei weitere freiwillige Helfer vor Ort und anfangs scheint alles schön. Die Gegebenheiten sind zwar ziemlich rudimentär, wir schlafen in unserem Zelt, waschen uns im nahegelegenen Bachlauf und nutzen die vorhandene Komposttoilette, die immerhin sichtgeschützt ist. Doch die ersten Abende sind unterhaltsam und wir kochen gemeinsam einfache, aber leckere Essen. Nach ein paar Tagen verändert sich die Atmosphäre jedoch und ist auf einmal alles andere als wohlwollend und nett. Ständige Sticheleien zwischen dem Farmbesitzer und einer Freiwilligen vermiesen die Stimmung. Als es zum stundenlangen lautstarken Streit kommt, beschließen wir, das Vorhaben „Farm“ nach einer Woche zu beenden. Wir können uns Schöneres für unsere letzten Tage in Indien vorstellen.
- Und Schöneres liegt tatsächlich vor uns: Dank Swathi und Vijay, dem Künstlerpaar aus Hyderabad, bekommen wir in der Küstenstadt Vizag eine Übernachtungsmöglichkeit bei Vijays Schwester Rekha organisiert. Mit ihr, ihrem Mann Siva und Freundin Alekhya fahren wir zwei Tage später in ihr Heimatdorf Bhimavaram, denn das Fest Sankranthi, eine Art Erntedankfest, steht bevor und wir sind eingeladen, mit ihnen zu feiern.
- Die zwei Tage in Bhimavaram, die wir mit Rekhas und Vijays toller Großfamilie verbringen dürfen, werden wir sicherlich nie vergessen! Alle kümmern sich rührend um uns, tausende Menschen werden uns vorgestellt, wir besuchen gemeinsam die Highlights des Festivals und machen einen Ausflug zu Tante und Onkel, die sehr ländlich leben.
- Dort verbringen wir einen schönen Tag an ihrem großen Fischteich, werden fantastisch bekocht, schippern mit dem kleinen Stocherkahn auf dem Fischteich herum und lernen endlich, wie aus den großen grünen Kokosnüssen die kleinen braunen werden, die es auch in Deutschland zu kaufen gibt.
- Während die Familie nach Hyderabad weiterfährt, dürfen wir eine Woche lang Rekhas und Sivas Wohnung in Vizag hüten und genießen nach den vielen Tagen mit tollen Menschen die Ruhe und Eigenbestimmtheit, die das Alleinewohnen ermöglicht.
- Von Vizag aus setzen wir die Fahrt nach Kolkata (früher Kalkutta) fort. Wie es der Zufall will, ist unser Couchsurfing-Gastgeber Dheeraj aus Mumbai mit Freunden zeitgleich in der Stadt und quartiert sich spontan mit all seinen Freunden in unser gemütliches Hotel The Elite ein. An lustigen Abenden gibt es viele spannende Gesprächsthemen, u.a. die Frage, warum genau die Kuh das heilige Tier der Hindus ist und der heiß diskutierten Behauptung eines Freundes: Da sie das einzige Tier sei, das Sauerstoff ein- und ausatmen würde. Der einsetzende Sturm der Entrüstung scheint ihn nicht dazu zu bringen, seine Meinung nochmal zu überdenken. Auch Pakistan als Lieblingsfeind Nummer 1 ist immer wieder Thema, da wir ja von dort aus nach Indien eingereist sind. Hier scheint alles Reden nichts zu bringen, die Meinungen sind so tief verankert, dass sie nicht mehr hinterfragt werden.
- Unsere letzte Zugfahrt in Indien führt uns in 22 Stunden von Kolkata an die indisch-nepalesische Grenze nach Raxaul. Mit fünf Stunden Verspätung treffen wir endlich ein. Der Grenzübergang ist der größte zwischen Nepal und Indien und die staubigen Straßen sind vor lauter Lastwagen komplett verstopft. Wir überqueren die Grenze zu Fuß und sind so sehr viel schneller unterwegs. Die Ausreise aus Indien verläuft problemlos, obwohl die Grenzbeamten hörbar schnaufen, als sie unseren Einreiseort „Wagah“ lesen und ihnen klar wird, dass wir aus Pakistan eingereist sind. Doch schnell fangen sich die Beamten wieder und als sie hören, dass wir auf dieser Reise bereits 15 Länder ohne Flugzeug bereist haben, möchten sie Sebastian sofort die Hand schütteln. Selfies werden zur Erinnerung geschossen und immer wieder murmeln sie „15 countries“ mit einem ungläubigen Lächeln.
- Auch auf nepalesischer Seite läuft die Einreise unproblematisch. Wir kommen in den Genuss des unkomplizierten visa on arrival, das uns direkt an der Grenze in den Pass geklebt wird. Auch hier sind die Beamten hilfsbereit und nett und nachmittags gegen 16 Uhr sind wir endlich offiziell in unserem 16. Reiseland angekommen!
- Leider sind die Busse, die über den Tag nach Kathmandu fahren, alle schon weg. So entscheiden wir uns für den Nachtbus. Der Beiname Sleeper weckt bei uns, von Indien kommend, eine andere Assoziation, die mit der Realität leider nichts zu tun hat. In einem uralten, unbequemen Bus holpern wir 14 Stunden lang 270 km auf furchtbaren Straßen nach Kathmandu. Morgens um 9.30 Uhr kommen wir leicht gerädert nach zwei Reisetagen endlich an!
- Seit dem 31. Januar sind wir nun in Kathmandu, für mich ein Wiedersehen nach neun Jahren! Wir freuen uns schon auf die kommenden zwei Monate, die wir nun hier sein werden.
Wie sah es in diesem Monat mit Fettnäpfen oder skurrilen Situationen aus?
- In Vizag stehen wir noch unschlüssig vor dem Supermarktregal, als eine Angestellte auf mich zutritt. „Buy this!“ zeigt sie zielsicher auf das teuerste Produkt im Regal. Da sie auf mein „Warum?“ leider nicht antworten kann, danke ich ihr für den netten Hinweis, kaufe aber doch das Produkt, das ich eh schon anvisiert hatte. Diese nette „Beratung“ kommt uns in diesem Supermarkt noch bei dem ein oder anderen weiteren Regal unter und erheitert uns.
- In Kolkata gehen wir mal wieder ins Kino. Kurz vor Filmbeginn wird das Licht gedämmt und stimmungsschwere Musik wird angespielt, alle erheben sich. Was ist das denn? Die Nationalhymne läuft und weil wir nicht als einzige sitzen wollen, erheben auch wir uns und staunen. Unser Nebensitzer erklärt uns später, dass in Indien die Nationalhymne vor jedem Kinofilm gespielt wird.
- Der indische Straßenverkehr ist chaotisch, aber funktioniert doch meist überraschend gut. Kurz nachdem ich das laut ausgesprochen habe, werden wir gleich vier Mal Zeugen von Auffahrunfällen, leider meistens mit unserem Taxi als einem der Unfallparteien. Zum Glück passiert außer Blechschäden nie Schlimmeres!
- In Vizag spazieren wir endlich mal wieder am Strand entlang, mittlerweile haben wir es bis an den Golf von Bengalen, also die indische Ostküste, geschafft. Ein Junge kommt schüchtern auf uns zu: „Sorry, are you foreigners?“ Wir bejahen etwas überrascht, dass wir wie Inder aussehen, hätten wir nicht gedacht. Nachdem diese Unsicherheit beseitigt ist, werden wir gleich zu einem Selfie gebeten.
- Bei unserem Familienaufenthalt in Bhimavaram packen die älteren Damen und Herren bereits ab etwa 18 Grad die Ohrenwärmer aus und sitzen dick eingemummelt vor dem Haus. Für uns reicht es bei diesen Temperaturen noch für einen dünnen Pulli.
Gibt es Tipps für kommende Langzeit(welt-)reisende?
Auch wenn der Ruf von Uber und ähnlichen Taxi-Apps in Deutschland nicht der beste ist: auf Reisen sind diese Apps wunderbar! Ganz einfach auf der Karte lässt sich der Abholort und das Ziel markieren und auch ohne Sprachkenntnisse wissen sowohl wir als auch der Taxifahrer, wohin die Fahrt gehen soll. Netter Nebeneffekt ist, dass die Preisverhandlungen entfallen, da der Fahrpreis von der App vorgegeben wird. In Indien waren uns die Apps Uber und Ola eine große Hilfe, um unkompliziert von A nach B zu kommen.
Unser Fazit des elften Monats
Wir brauchten ein wenig, um in Indien anzukommen. Die Städte sind laut, es wird oft und gerne gehupt und viele Leute sind mit Autos oder Motorrädern unterwegs. Die Straßen sind voller Menschen und dazwischen schlängeln sich Hunde, Kühe und Schweine durch den Straßenverkehr. So war es am Anfang in Indien „nett“ für uns, aber nicht wirklich toll. Das änderte sich aber mit unserem Urlaub in Agonda. Diese drei Wochen Luftholen und Nichtstun waren super und nötig. So stürzten wir uns danach mit neuem Elan in das Reisen durch Indien. Im Januar durften wir so viele schöne Erfahrungen machen und so viele einfach klasse Menschen kennenlernen, dass wir nach diesen Wochen unsere Zeit in Indien nicht mehr missen möchten. Es sind weniger die hübschen Gebäude, die für uns ein Land spannend und bemerkenswert machen. Am Ende des Tages bzw. des Monats erinnern wir uns vor allem an die Menschen, die wir kennengelernt haben. In Indien waren das eine ganze Menge, die uns ihr Land von der schönsten Seite zeigten und aufgrund derer wir heute sagen: „Unsere Zeit in Indien war toll!“
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