Goldene Tage in Amritsar

Der Goldene Sikh-Tempel in Amritsar bei Nacht.

Nach 8 1/2 Monaten unterwegs sind wir nun also in Indien angekommen. Für mich ist es das erste Mal, Leo ist bereits zum dritten Mal hier. Vor Beginn dieser Reise wollte ich eigentlich gar nicht herkommen. Viele Gerüchte und Vorurteile über Indien hatte ich daheim gehört. Zu voll, zu laut, zu schmutzig, unzuverlässig, gefährlich…

Mit gemischten Gefühlen sitze ich daher im Bus, der uns von der Wagah Border nach Amritsar bringt, unserer ersten Station in diesem riesigen Land. Da wir nicht genau wissen, welche Route der Bus nehmen wird, fragen wir die Jugendlichen, die in der Reihe vor uns sitzen. Erfreulicherweise sprechen sie Englisch und helfen uns gerne. Sie sind neugierig, wollen wissen, was wir hier mit so viel Gepäck machen und wo wir herkommen. Zuverlässig geben sie uns Bescheid, als wir aussteigen müssen und deuten noch in die Richtung, in der unser Hostel liegt. Ein netter Einstieg in das für mich neue Land.

 

Lernen von den Drachensteig-Profis

Im Wow Backpackers Hostel angekommen, beziehen wir unser Zimmer. Es ist klein und hat kein Fenster nach draußen. Zudem grenzt es direkt an die Hostel-Küche, die auch die Gäste mitbenutzen dürfen. Doch in diesem Fall ist uns das egal. Nachdem wir in den letzten Wochen so viel erlebt haben, wollen wir es hier für eine Woche langsam angehen lassen. Und damit beginnen wir gleich am nächsten Morgen, indem wir in aller Ruhe unser Frühstück auf der Dachterrasse des Hostels zu uns nehmen. Bei dieser Gelegenheit entdecken wir unser neues Hobby, das uns die kommenden Tage über beschäftigt halten wird: Drachen steigen lassen!

Küche in einem Hostel in Amritsar.
Die Hostelküche liegt direkt vor unserem Zimmer
Ein Mann schläft auf einer Liege auf einer Dachterrasse in Amritsar.
Wir lieben die Ruhe auf unserer Dachterrasse und den Blick über das Häusermeer Amritsars. Wenn wir morgens hier hochkommen, ist unser Nachbar schon lange da und genießt die Morgensonne.
Zwei Kinder stehen auf einer Dachterrasse in Amritsar und lassen Drachen steigen.
Schnell entdecken wir die Lieblingsbeschäftigung der Nachbarskinder, die bei jedem kleinen Luftzug zur Stelle sind, um ihre Drachen möglichst „to the moon“ steigen zu lassen 😉
Papierdrachen über den Dächern von Amritsar.
Ganz Amritsar scheint im Drachenfieber zu sein und wir fühlen uns an das Buch „Der Drachenläufer“ von Khaled Hosseini erinnert
Sebastian steht auf einer Dachterrasse in Amritsar und hält einen Papierdrachen in der Hand.
Zum Glück hat der Hostelbesitzer einen ganzen Schrank voller Papierdrachen, die er uns gerne zur Verfügung stellt
Leo lässt auf einer Dachterrasse in Amritsar einen Drachen steigen.
Gar nicht so einfach, den Drachen in die Luft zu bekommen. Wie machen das die Kids bloß?

Sebastians ersten Drachen-Steig-Versuch haben wir hier im Video festgehalten:

Ein indischer Junge auf einer Dachterrasse in Amritsar beim Drachensteigen.
Der Nachbarsjunge ist Profi! Zu Beginn gibt er uns noch Tipps, doch dann werden wir schnell zu seinen Opfern: Kaum ist unser Drache in der Luft, fliegt er ein gekonntes Manöver und schneidet mit seiner Leine die unsrige durch.
Ein Finger, der mit durchsichtigem Klebeband umwickelt ist.
Schnell begreifen wir die Spielregeln, doch viel bringt es uns nicht. Regelmäßig werden uns die Drachen geklaut. Da die raue Schnur meine Finger einschneidet, umwickle ich sie zum Schutz mit Klebeband.
Leo neben einem indischen Mädchen in Amritsar.
Auch mit dem Nachbarsmädchen freunden wir uns übers Drachensteigen an
Sebastian vor dem roten Abendhimmel in Amritsar in Indien.
Mehrere Tage stehen wir bis zum Sonnenuntergang auf unserer Dachterrasse und bestaunen die Flugkünste der professionellen Drachenlenker

Auf Entdeckungstour in Amritsar

Wenn wir gerade nicht mit Drachen steigen lassen beschäftigt sind, erkunden wir Amritsar. Im Vergleich zu vielen Stationen unserer bisherigen Reise ist die Stadt tatsächlich ein wenig lauter, chaotischer und schmutziger. Doch gleichzeitig auch bunter, vielfältiger und spannender. Überall gibt es etwas Neues zu entdecken und wir begegnen vielen Menschen, die uns neugierig ansprechen. Es ist schön, dass wir uns hier so einfach verständigen können, da immer irgendjemand Englisch spricht.

Ein Haus mit Balkons in Amritsar.
Amritsars Innenstadt gefällt uns mit ihren hübsch verzierten Häusern
Menschen und Fahrradrikschas auf einer Straße in Amritsar.
Oft herrscht in den Straßen reger Betrieb und wir müssen aufpassen, um nicht unter die Räder zu kommen
Ein Motorroller steht vor einem Schild, auf dem steht, dass hier parken verboten ist.
Hier werden viele Regeln anders ausgelegt als daheim in Deutschland 🙂
Ein Schwein sucht mit Ferkeln im Müll nach Essbarem.
Auch sehen wir Tiere, die bei uns im Stadtbild eher nicht vorkommen
Ein indischer Mann sitzt auf einer Fahrradrikscha und stützt seine Füße auf dem Sattel ab.
In den engen Straßen Amritsars ist die Fahrradrikscha immer noch ein ganz normales (und abgasfreies) Fortbewegungsmittel
Züge am Bahnhof von Amritsar.
Am Bahnhof wollen wir eine Zugfahrkarte für die Weiterfahrt kaufen – kein leichtes Unterfangen für Neulinge im Land. Wir werden von einem Schalter zum nächsten geschickt, aber am Ende sind wir zum Glück erfolgreich.
Zwei indische Männer mit Turban und Bart in einem Geschäft in Amritsar.
Die Bewohner Amritsars begegnen uns freundlich
Schulkinder winken aus dem Fenster einer Rikscha in Amritsar.
Besonders die Kinder haben ihren Spaß mit uns fremd aussehenden Besuchern. Hier die Motorrikscha, die die Kinder von der Schule nach Hause bringt.

Der goldene Sikh-Tempel

Ein Highlight unserer Tage in Amritsar ist zweifellos der goldene Sikh-Tempel, auch als Harmandir Sahib bekannt. Wir besuchen das Heiligtum der Sikhs mehrere Male. Es ist ein mystischer Ort mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Zu Tausenden strömen die Menschen jeden Tag in die den Tempel umgebende Palastanlage um zu beten, zu meditieren oder einfach im Uhrzeigersinn um den mit Blattgold belegten Tempel herumzulaufen. Im Tempel selbst werden den ganzen Tag über Verse aus dem „Heiligen Buch“ rezitiert. Diese Gesänge werden musikalisch untermalt und sind über Lautsprecher in der ganzen Tempelanlage zu hören.

Besonders beeindruckt uns die Offenheit der Sikhs gegenüber Fremden. Menschen aller Herkunft und Religionen sind hier uneingeschränkt willkommen. Der Tempel ist immer geöffnet (auch nachts) und Pilgern ist es für maximal drei Tage gestattet, unter den Arkaden oder in den Gästezimmern kostenlos zu übernachten. Fast noch beeindruckender ist für uns die riesige Garküche, die die Gläubigen, aber auch alle sonstigen Besucher des Tempels, ebenfalls kostenlos mit warmen Mahlzeiten versorgt. Klar, dass wir uns das näher anschauen wollen.

Der goldene Sikh-Tempel in Amritsar.
Der Sikh-Tempel ist über einen schmalen Steg zu erreichen und erstrahlt abends in goldenem Glanz
Männer baden im heiligen Wasser des Sikh-Tempels in Amritsar.
Jeden Tag strömen unzählige Pilger in die Palastanlage. Einige baden sich im heiligen Wasser, das den Tempel umgibt.
Ein indischer Junge mit gelbem Turban macht ein Selfie mit Sebastian.
Der Goldene Tempel ist der erste Ort auf unserer Reise, an dem es auch für die männlichen Besucher Pflicht ist, den Kopf zu bedecken
Sebastian mit orangenem Kopftuch vor dem goldenen Sikh-Tempel in Amritsar.
Zum Glück werden am Eingang schicke Kopftücher verteilt 🙂
Menschen gehen auf weißem Marmor im goldenen Tempel in Amritsar.
Im Palastgelände herrscht eine sehr angenehme Atmosphäre, weshalb wir mehrere Male hierherkommen. Übrigens ist barfuß sein die zweite Voraussetzung für einen Besuch des Goldenen Tempels und alle Besucher müssen am Eingang durch ein Fußbad laufen.
Zwei indischen Jungen stehen neben einem riesigen Kochtopf im Freien.
Besonders spannend: Die riesige Garküche, die an alle Pilger und Besucher kostenlos Essen ausgibt
Menschen sitzen im goldenen Sikh-Tempel in Amritsar auf dem Boden. Vor ihnen steht Essgeschirr aus Metall.
In langen Reihen sitzend nehmen die Tempel-Besucher ihr Essen zu sich
Aus einem Wasserhahn, der an einen Eimer angeschlossen ist, läuft Wasser in eine Schale.
Um die Menschenmassen versorgen zu können, muss die Essensausgabe praktisch und schnell sein. Hier der fahrbare Wagen, der die hungrigen Gäste mit Trinkwasser versorgt.
Linsen, Curry, Milchreis und Chapati auf einem Metallteller.
Linsen mit Gemüsecurry und Chapati, zum Nachtisch gibt’s Milchreis. War überraschend lecker 🙂

Das System des Goldenen Tempels beruht auf freiwilligem Engagement: Essen und Übernachtungen werden kostenlos angeboten, dafür helfen hunderte Menschen ehrenamtlich u.a. in der Großküche. Das Abwaschen der Massen an Blechtellern läuft im Teamwork, wie ihr hier im Video sehen könnt:

Indische Männer mit Turbanen waschen Teller in einer mit Sägespänen gefüllten Wanne.
Eine Gruppe Freiwilliger poliert die bereits gespülten Teller mit Sägemehl
Leo sitzt neben einem alten Mann im goldenen Sikh-Tempel und rollt Teig für Chapati aus.
Auch wir wollen uns revanchieren und helfen für eine Stunde in der Chapati-Bäckerei 🙂

Die Teigfladen, die wir gerade ausgerollt haben, werden von einem eingespielten Team in leckere Chapatis verwandelt. Hier als kurzes Video:

Pilger auf einem Steg vor dem goldenen Sikh-Tempel in Amritsar bei Nacht.
Besonders abends ist auf dem Palastgelände viel los. Über einen Steg gelangen die Gläubigen zum Tempel, in dem das heilige Buch der Sikhs ausgestellt wird.
Der goldene Sikh-Tempel in Amritsar bei Nacht.
Hier ist alles Gold, was glänzt! Amritsar hat uns einen guten ersten Eindruck von Indien geschenkt. Wir sind gespannt, was uns in den nächsten Stationen erwarten wird.

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