Welcome on board!
„Welcome on board! My name is Kyhle and I’m the Deck Cadet.“ Wir stehen am oberen Ende der etwas wackeligen Gangway. Ich mache noch einen Schritt und stehe endlich auf dem Containerschiff. Wir sind an Bord! Eine junge Frau lächelt mich freundlich an und streckt mir ihre Hand entgegen. Ich bin positiv überrascht, eine Frau auf dem Containerschiff anzutreffen, hatte ich mich bereits darauf eingestellt, alleine unter Männern den Pazifik zu überqueren. Ich schaue mich neugierig um, aber Kyhle führt uns schon ins Deckshaus hinein und übergibt uns an ihre Kollegen. Chief Officer Dima, ein breiter, großer Mann in unserem Alter, stellt sich vor und schüttelt uns die Hand. Doch auch er hat aktuell keine Zeit und überträgt Third Officer Herbert, uns unsere Kabine zu zeigen.
Gemeinsam mit Herbert fahren wir mit einem Aufzug sechs Stockwerke nach oben. Wir stehen in einem langen Gang mit glänzendem Linoleumboden. Vor Zimmer 703 bleiben wir stehen. Herbert öffnet die Türe. Sebastian und ich blicken in einen etwa 20 Quadratmeter großen Raum. Links führt eine Türe in ein kleines Badezimmer, daneben versteckt sich ein Doppelbett in der Zimmerecke. Rechts steht ein Schrank, es gibt einen Schreibtisch und ein Sofa. Die Möbel sind festgeschraubt und der Schreibtischstuhl mit einer Kette am Boden befestigt. Das Zimmer ist gemütlich, hier werden wir uns bestimmt wohlfühlen. Einzig schade ist, dass wir nicht aufs Meer, sondern auf eine Wand aus Containern blicken. Die anderen Türen im Flur führen in drei weitere Passagierkabinen, zwei Not-Offizierskabinen, einen Passagieraufenthaltsraum sowie in den Waschraum, in dem alleine für die Passagiere zwei Waschmaschinen und ein Trockner bereitstehen.
Herbert lässt uns auf einem kurzen Rundgang in den Aufenthaltsraum für uns Passagiere schauen: Ein runder Tisch mit vier Stühlen, ein großes Ecksofa und ein riesiger Fernseher befinden sich darin. Von hier aus können wir raus aufs Meer blicken. Drei Etagen weiter oben gibt es einen Fitnessraum mit einer Hantelbank, Klimmzugstangen und anderen Geräten, ganz unten im Deckshaus steht eine Tischtennisplatte, ein Stepper und ein Fahrradergometer. Damit steht unserem Sportprogramm also nichts im Wege.
Auch Herbert muss bald wieder los und verabschiedet sich von uns, nachdem er sich vergewissert hat, dass wir wieder zurück in unser Zimmer finden. Das Wohnhaus auf unserem Schiff CMA CGM Jacques Joseph hat 11 Etagen und jede von ihnen sieht gleich aus.
Im Hafen
Die Crew ist heute am Hafentag voll im Einsatz. Um 12 Uhr gibt es Mittagessen und wir lernen einige weitere Besatzungsmitglieder kennen, aber andere müssen arbeiten. Mit uns sind 28 Personen an Bord, darunter neben mir zwei weitere Frauen. Die Crew stammt aus der Ukraine, aus Russland und von den Philippinen. Und auch ein weiterer Passagier wird mit uns den Pazifik überqueren: Der 65-jährige Ron aus den USA ist pensionierter Berufssoldat und hat das Reisen auf Containerschiffen zu seinem Hobby gemacht. Jacques Joseph ist für ihn bereits das vierte Frachtschiff, auf dem er mitfährt und er wird die gesamte Route dieses Schiffs begleiten. Das heißt, dass er drei Monate lang an Bord leben wird.
Abled Seaman Jason nimmt unsere Reise- und Impfpässe entgegen, diese wird der Kapitän für die Überfahrt an sich nehmen. „How long are you on board already?“, fragen wir ihn. “9 months! These are my last days!” Neun Monate immer auf diesem Schiff zu sein – wir können uns nicht vorstellen, wie das sein muss. „Endlich komme ich hier runter“, lacht Jason. „Endlich mal wieder Grün sehen! Mal wieder was anderes essen. Und endlich kein Meer mehr! Mit der Zeit kriegt man einen Knacks, wenn man so lange an Bord ist“. Jason blickt nachdenklich durch das Fenster auf den Hafen. Heutzutage gibt es auf den Containerschiffen immerhin Internet, man kann mit Familie und Freunden in Kontakt bleiben. Aber trotzdem verpasst man zu Hause unglaublich viel.
Unser erster Tag auf dem Containerschiff geht schnell vorbei. Wir besuchen die Brücke, auf der aktuell niemand ist, denn wir liegen immer noch fest vertäut im Hafen von Qingdao. Wir schauen uns in Ruhe alle 11 Stockwerke des Wohnhauses an, draußen auf dem Schiff dürfen wir heute nicht herumlaufen, denn ohne Unterbrechungen werden Container ein- und ausgeladen.
Ich erinnere mich an den Hinweis des Hafenagenten Rufus Liu, der vorhin meinte, wir dürfen an den Pier gehen, solange wir unsere Helme tragen. Also ziehen wir unsere Jacken an, holen die zwei weißen Helme aus dem Schrank, marschieren die Gangway nach unten und haben wieder Land unter den Füßen. Um uns herum arbeiten riesige Kräne, werden Container durch die Lüfte gehoben, fahren Lastwagen. Wir schauen in alle Richtungen, überqueren den Zebrastreifen und laufen aus dem Trubel hinaus ans Ende des Piers. Das Wetter ist traumhaft und wir können kaum glauben, dass wir in China, wo sonst alles so kontrolliert und überwacht wird, einfach am Containerhafen herumlaufen dürfen.
Wir genießen den Blick auf unser Schiff, beobachten die Beladetätigkeiten aus einiger Entfernung und nutzen die Zeit vor allem für Fotos. Wir freuen uns noch über unsere unerwartete Freiheit, da marschiert ein großer chinesischer Sicherheitsangestellter auf uns zu und informiert uns unmissverständlich auf Englisch, dass wir wieder an Bord zu gehen haben. Also doch.
300 Meter lang und 50 Meter breit ist Jacques Joseph und gehört mit diesen Maßen zu den großen Containerschiffen. Voll beladen und mit viel Tiefgang erscheint mir das Containerschiff allerdings trotzdem ziemlich klein. Hoffentlich bringt es uns sicher über den Pazifik!
Meine größte Sorge bei dieser Ozeanüberquerung ist ein großer Sturm. Schon seit einem Weilchen schaue ich keine Filme mehr an, bei denen es um Schiffsunglücke geht oder die auf dem Meer spielen. Ich muss meine Fantasie ja nicht noch mehr anfachen. Aber natürlich habe ich vor zig Jahren Titanic gesehen (und das mehr als einmal…) und kenne Youtube-Videos, bei denen riesige Wellen über ein Schiff schlagen und die Sicht auf das Geschehen an Bord selbst von der Brücke aus unmöglich machen. So etwas will ich auf gar keinen Fall erleben! Die Sorge unserer Freunde und Familien war eher die Langeweile. „Was macht ihr da die ganze Zeit, 18 Tage lang?“ Doch schon bald merken wir: Diese Sorge ist unbegründet, langweilig wird es uns nicht werden.
Eigentlich hieß es, wir werden um 18 Uhr ablegen. Doch wir spüren keinerlei Bewegung des riesigen Schiffs. Nach dem Abendessen laufen wir durchs Treppenhaus zu Fuß die sieben Stockwerke hoch auf die Brücke und kommen außer Atem an. Um eintreten zu können, geben wir an der Türe einen Zahlencode ein – eine Sicherheitsmaßnahme, falls sich unerlaubt fremde Personen an Bord befinden sollten.
Dunkelheit empfängt uns, es ist mucksmäuschenstill. Ab und an gibt Kapitän Volodymyr Anweisungen. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erkenne den Kapitän und zwei weitere Personen mit Ferngläsern aus dem Fenster schauen. Erst da wird uns klar, dass wir die Abfahrt des Schiffs glatt verpasst haben! Der Hafen Qingdaos liegt bereits hinter uns und wir fahren soeben an der beleuchteten Skyline vorbei. Vom Außenbalkon der Brücke erkennen wir das Olympia-Segelzentrum, an dem wir vor nicht allzu langer Zeit mit Sunny, Baby und Neffe Yang-Yang spazieren waren.
Tschüss Sunny, tschüss China, tschüss Asien! Nach 20 Monaten geht in diesem Moment der erste Abschnitt unserer Reise zu Ende.
Unser Alltag an Bord
Der Alltag an Bord folgt festen Zeiten: Frühstück ist um 7 Uhr morgens, Mittagessen um 12 Uhr, Abendessen um 18 Uhr. In der Zeit zwischen Frühstück und Mittagessen besuchen wir täglich die Brücke, lassen uns von den Offizieren die Geräte und Monitore erklären, blicken hinaus aufs Meer, lesen in Büchern über Windstärken und Wellenbeschaffenheit und beobachten die Crew bei ihrer Arbeit. Im Anschluss schreibe ich Tagebuch oder mache eine Lektion in meiner Spanisch-App, Sebastian spielt Gitarre. Meist gibt es dann schon Mittagessen.
Erschöpft vom Vormittagsprogramm machen wir einen kurzen Mittagsschlaf, spazieren im Anschluss bei gutem Wetter außen auf dem Schiff herum und beginnen dann mit der Arbeit am Blog. Wir schreiben Berichte, suchen Fotos raus, bearbeiten sie und bereiten alles so vor, dass wir die Inhalte nach unserer Ankunft in Mexiko rasch veröffentlichen können. Und dann ist es meist schon wieder 18 Uhr und wir gehen zum Abendessen. Die Abende verbringen wir mit einer Partie Tischtennis, werden einmal von der philippinischen Crew zum Karaoke eingeladen und schauen manchmal auf dem großen Fernseher in unserem Aufenthaltsraum einen Film an.
Die Tage sind voll und werden von Tag zu Tag anstrengender. Denn jeden zweiten Tag wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt, gefühlt gibt es das Frühstück damit jeden zweiten Tag bereits um 6 Uhr. Mein Körper kommt bei diesen vielen Zeitumstellungen nicht so schnell hinterher. Zum ersten Mal auf dieser Reise erleben wir einen Jetlag. Während wir morgens nicht aus dem Bett kommen, können wir abends nur schwer einschlafen, denn wir sind noch nicht müde.
Es wird ungemütlich
„Aufgrund von schlechtem Wetter ändern wir unseren Kurs“, informiert uns Chief Officer Dima, als wir morgens auf die Brücke kommen. Wir schauen uns beunruhigt an. Es wird doch hoffentlich nicht mein größter Schrecken eintreten? Dima erklärt uns, dass eine Reederei vesucht, Risiken zu minimieren und sie, statt Container im Unwetter zu verlieren, lieber einen Umweg des Schiffs in Kauf nimmt. Der einzige quasi unverschiebbare Termin auf der aktuellen Route ist die Fahrt durch den Panama-Kanal. Diese wird schon Wochen im Voraus gebucht und kostet etwa 100.000 Euro. Falls sich das Schiff durch Unwetter auf dem Pazifik verspätet, werden eher die Stopps in Mexiko und an der Pazifikküste Panamas ausgelassen, als den Termin für den Panama-Kanal platzen zu lassen. „Und wo würden wir dann aussteigen, falls das passieren sollte?“, fragt Sebastian. „Tja, dann wärt ihr in Panama statt in Mexiko“, lacht Dima. Das wäre was, denke ich mir…
Tatsächlich wird das Wetter in den kommenden Stunden schlechter, doch hat mit meinen Horrorvorstellungen der Riesenwellen zum Glück nichts zu tun. Das Hauptunwetter umschiffen wir, auf der Wetterkarte ist dieser Bereich dunkelrot eingefärbt. Wir fahren aktuell durch den orangen Bereich.
Doch obwohl mich der Blick aus dem Fenster glücklicherweise nicht in Angst versetzt, ist das Schiff in Bewegung. „Rolling“ nennt das die Crew und es bezeichnet das Hin- und Herschwanken des Schiffs von rechts nach links. Manchmal auch von vorne nach hinten oder von hinten links nach vorne rechts. Oder eher im Kreis. Scheinbar haben wir noch ein „gutes“ rolling erwischt, denn Jacques Joseph legt sich ganz langsam nach rechts, verharrt einen Moment und bewegt sich dann gaaaanz langsam nach links. Im Gang geradeaus gehen klappt trotzdem nicht, wir beide torkeln wie die Betrunkenen durch unser Stockwerk. Auch unsere Bananen, die wir im Zimmer mit einer Schnur angebunden haben, schaukeln wie ein Pendel hin und her.
Als wir abends im Bett liegen, verändert sich die zuvor noch lustige Situation für mich. An Schlaf kann ich so nicht denken. Obwohl ich auf dem Bauch liege, wie uns Koch Joselito und Steward Roger geraten haben, ziehen unsichtbare Kräfte an mir. Ich werde in die Matratze gedrückt, nach rechts gezogen, nach links geschoben, immer hin und her. Meine Gedanken machen sich selbstständig und bei jedem Wendepunkt halte ich die Luft an, ob Jacques Joseph auch wirklich wieder in die entgegengesetzte Richtung schwankt und nicht einfach umkippt. Bis zu 18 Grad rollt das Schiff aktuell hin und her.
Wir befinden uns inzwischen mitten auf dem Pazifik, heute ist Tag 6. Vorhin erklärte Offizier Herbert uns die nautische Karte und damit weiß ich, dass sich aktuell 5000 Meter Wasser unter uns befinden. Wenn wir hier in Seenot geraten, kann uns niemand helfen. Sebastian schlummert bereits friedlich neben mir. Ihm macht das Geschaukel nichts aus und er hat ein festes Vertrauen in unser Schiff und die Fähigkeiten der Crew. Auch ich versuche, mich auf positivere Gedanken zu konzentrieren und schlafe schließlich doch ein.
Das Leben der Seemänner und -frauen
„How is life?“, fragt uns Offizier Jonathan, als wir die Brücke betreten. Morgens haben meistens er und Kadettin Khyle Dienst, ich mag die beiden. Immer gut drauf und immer bereit, uns etwas zu erklären. „Naja, die Nacht ging so“, muss ich zugeben. Die beiden lachen. Khyle gesteht, dass auch ihr immer mal wieder schlecht wird, wenn das Schiff zu rollen beginnt. Ich selbst fühle mich wie nach einer durchfeierten Nacht, wenn der Magen am nächsten Morgen noch flau ist und man eine bleierne Müdigkeit spürt. „Und wie geht’s euch?“, fragen wir die beiden zurück. „It’s boring“, ist Jonathans einzige Antwort. Jetzt, mitten auf dem Pazifik, ist nichts mehr los. Kein einziges Schiff wird vom Radar angezeigt und der Autopilot übernimmt die Steuerung. Jonathan und Khyle schauen immer wieder mit ihren Ferngläsern aufs Wasser, haben ansonsten aber Zeit, sich mit uns zu unterhalten.
Als Chief Officer Dima auf die Brücke kommt, ändert sich die Atmosphäre. Mit den „white people“, wie die philippinische Crew ihre Kollegen aus der Ukraine und aus Russland bezeichnen, sind sie nicht so entspannt wie mit uns. Aber wir haben als Passagiere einen Sonderstatus an Bord. Dima bespricht sich mit Jonathan und Kyle und ich bleiben am Fenster zurück.
„Wie kommt es, dass du auf einem Containerschiff arbeitest?“ Diese Frage interessiert mich schon vom ersten Tag an. Die 19-jährige Khyle erzählt von ihrer Ausbildung. Zwei Jahre war sie bereits auf der Kadettenschule auf den Philippinen, nun muss sie ein Jahr zur See fahren und lernen. Sechs Monate ist sie schon an Bord, sechs weitere Monate liegen noch vor ihr. Im Anschluss muss sie für ein weiteres Jahr zur Kadettenschule gehen und kann sich dann an Bord in der Hierarchie hocharbeiten.
Eigentlich war ihr Wunsch, Medizin zu studieren. Doch das dauert 10 Jahre und statt wie auf der Kadettenschule etwas Geld zu verdienen, zahlt man drauf. „Let’s be practical“, meinten ihre Eltern zu ihr und schickten sie auf die Kadettenschule. Ihr Vater ist selbst seafarer und kennt das Geschäft. Ich bin überrascht, dass er sie in eine solche Männerdomäne geschickt hat. Khyle erzählt, dass in ihrer Kadettenschule auf 400 Männer 18 Frauen kamen. Doch hat sie es auf Jacques Joseph gut getroffen, denn mit ihr ist noch Christine als zweite Kadettin an Bord. Auch wenn diese im Maschinenraum arbeitet und Khyle auf der Brücke, verbringen sie ihre freie Zeit gemeinsam. Fünf bis zehn Jahre kann sie sich vorstellen, zur See zu fahren, dann will sie aber lieber etwas anderes machen. Familienkompatibel ist der Job ja nicht gerade.
Einige Tage später können wir Offizier Herbert die gleiche Frage stellen. „It’s good money!“ Herbert besitzt mittlerweile drei Häuser und zwei Autos auf den Philippinen und zeigt stolz Fotos von daheim. Seiner Familie geht es gut. Auch Dima aus der Ukraine teilt diese Einschätzung über seine Motivation. Auf See verdient er sehr viel mehr als in der Ukraine in einem normalen Job. Die Einsatzzeiten auf See variieren aber sehr je nach Herkunftsland und Arbeitsvertag. Während die Besatzung aus der Ukraine und aus Russland meist „nur“ drei Monate an Bord bleibt, gilt für die philippinische Crew ein anderer Einsatzplan: Bis zu 9 Monate arbeiten sie am Stück an Bord, ohne Wochenende, ohne Urlaub, Tag für Tag, Monat für Monat.
18 Tage auf See
Jeden Morgen kurz vor dem Frühstück tragen wir auf unserer Weltkarte unsere momentane Position ein. Trotz zweimaliger Kursänderungen wegen Unwettern nähern wir uns unaufhörlich Amerika. An einigen Tagen war es draußen eiskalt und ein starker Wind pfiff uns durch die Haare. Doch heute an Tag 14 ist es auf einmal so warm, dass ich im T-Shirt nach draußen gehen kann.
Mit den Temperaturen ändert sich auch das Aussehen des Meeres: Von grau, aufgewühlt und wellig ist es heute tiefblau und ganz ruhig. „Da war was! Ich schwör’s!“ Sebastian zeigt aufgeregt auf eine Stelle im Meer. Und auch ich sehe nicht allzu weit entfernt eine Fontäne aufsteigen. Wale! Doch leider sind diese zwei Fontänen das Einzige, was wir von den Walen sehen. Aber dafür entdecken wir einen großen Hai, der für einen kurzen Moment direkt neben dem Schiff schwimmt und viele fliegende Fische. Je näher wir dem noch nicht zu sehenden Festland kommen, desto häufiger kreisen Möwen um unser Schiff herum und lassen sich auf den Containern sitzend ein Weilchen mitnehmen.
An unserem letzten Tag auf See machen wir alles, was wir unbedingt noch erledigen wollten: Wir interviewen Dima zu Containerschiffen, zur Fracht, zum Leben an Bord, zu allem, was uns interessiert und schreiben seine Antworten auf. „Schreibt ihr für die Schülerzeitung?“, neckt er uns. Aber wie sonst sollen wir uns die Fülle an Informationen merken? Aufschreiben ist für uns die einzige Lösung.
Mittags essen wir ein letztes Mal mit der philippinischen Crew und freuen uns über das überaus leckere Essen. Während die Ukrainer täglich zweimal täglich Fleisch essen wollen, sagt uns das Essen im zweiten Speisesaal heute mehr zu. Und auch die Stimmung ist hier entspannter. Bei den Filipinos wird viel geredet und gelacht. Im anderen Speisesaal herrscht manchmal ein unangenehmes Schweigen. 10 Personen sitzen dann am gleichen Tisch und schaufeln schweigend ihr Essen in sich hinein. Da finde ich es bei der philippinischen Crew netter.
Sebastian spielt mit einigen Männern der Besatzung Basketball, denen es nun endlich warm genug dafür ist. An all den Samstagen davor war es ihnen zu windig, zu regnerisch oder einfach nicht das Wetter, an dem ein Filipino draußen Sport machen würde. Doch heute passt alles und etwa 10 Personen toben sich auf dem hinteren Deck ordentlich aus.
Als wir abends ins Bett gehen, stehen unsere Rucksäcke bereits gepackt an der Wand. Morgen werden wir in Mexiko ankommen. Ich kann es nicht wirklich glauben.
Bienvenidos a México!
Am nächsten Morgen laufe ich im Schlafanzug zum Aufenthaltsraum und schaue aus dem Fenster. Land in Sicht! Nach 14 Tagen nur Wasser um uns herum! Wir springen in unsere Klamotten und gehen noch vor dem Frühstück auf die Brücke. Doch bis der Lotse an Bord kommt, um das Schiff in den Hafen zu begleiten, soll es noch eine Stunde dauern. Also frühstücken wir erstmal.
Als wir zurück auf die Brücke kommen, trifft der Lotse gerade ein. Wir nähern uns Manzanillo gemächlich, aber stetig. Palmen tauchen am Ufer auf, hinter der Stadt erheben sich Berge. Es ist so grün hier! Vögel fliegen über das Schiff. Ich hatte mir Mexiko anders vorgestellt. Eher trocken und verbrannt. Mit Kakteen. Aber hier sieht es richtig tropisch aus. Und es ist schwül-heiß.
Aufgeregt beobachten wir alles, was um uns herum passiert. Doch obwohl wir Manzanillo bereits morgens um 6 Uhr sehen konnten, dauert es noch bis 11 Uhr, bis wir von Bord gehen dürfen. Drei Einreisebeamte kommen ans Schiff und kümmert sich zunächst um die Tagesgenehmigungen für die Crewmitglieder, die heute freihaben und an Land gehen dürfen. Als diese ihre Pässe und Spezialbescheinigungen haben, sind wir dran.
In genuscheltem Spanisch werden wir gefragt, wo wir herkommen, wie lange wir in Mexiko bleiben und wo wir als erstes stoppen werden. Außer „Bienvenidos a México!“, willkommen in Mexiko, verstehe ich kaum etwas. Zum Glück spricht Sebastian fließend Spanisch und kann die Kommunikation übernehmen. Direkt an Bord bekommen wir unsere Einreisekarten ausgehändigt, 180 Tage dürfen wir uns in Mexiko aufhalten. Ein halbes Jahr!
Wir verabschieden uns von Kapitän Volodymyr, von Dima, von Jonathan, Khyle und all den anderen tollen Crewmitgliedern, die uns in den letzten 18 Tagen sicher und wohlbehalten über den Pazifik gebracht haben. Meine Angst vor einem schlimmen Sturm war zum Glück unbegründet und langweilig ist es uns auch nicht geworden. Im Gegenteil waren die vergangenen Tage sehr spannend und haben uns vieles Neue lernen lassen.
Vom winterlichen China sind wir im schwülheißen Mexiko angekommen und obwohl uns diese Containerschiffreise eigentlich langsam über den Pazifik bringen sollten, kann ich es jetzt trotzdem noch nicht wirklich begreifen, dass wir auf einmal auf einem neuen Kontinent sind und dass ein neues Kapitel unserer Reise begonnen hat.
Du willst mehr wissen über das Reisen mit einem Containerschiff? Dann schau in unseren Guide „Mit dem Containerschiff über den Pazifik – So geht’s“, der dir alle Fragen beantwortet. Und falls doch noch eine offen geblieben ist, schreib uns gerne einen Kommentar oder eine E-Mail.
Wir haben unsere Pazifiküberfahrt bei der in Berlin ansässigen Reiseagentur Langsamreisen gebucht und waren mit der Leistung und dem Buchungsprozess sehr zufrieden. [Werbung]
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